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Vor acht Jahren waren sie die ersten Jungs am Hildegardis - Jetzt machen sie Abi

Foto: Thomas Rünker | Bistum Essen
Foto: Thomas Rünker | Bistum Essen

Sie waren die ersten. Im Sommer vor acht Jahren sind Florian, Jannik, Lucas und Nicolai als Jungs an das Duisburger St. Hildegardis-Gymnasium gekommen. Eine Revolution in der Geschichte der 1898 gegründeten katholischen Schule, die bis dahin nur Mädchen unterrichtet hatte. Mittlerweile sind aus den Jungs vier junge Männer geworden, die nun zusammen mit 29 Mitschülern und 74 Mitschülerinnen ihre Abiturzeugnisse erhalten haben. Und wie vor acht Jahren wundern sich die vier auch heute wieder, warum das etwas Besonderes sein soll.

 

Seit 2014 unterrichtet das bischöfliche Gymnasium seine Schülerinnen und Schüler „bi-edukativ“. Dabei hat sich die einstige Mädchenschule nicht einfach nur für Jungen geöffnet und fortan gemischte Klassen gebildet, sondern unterrichtet die Kinder zunächst in getrennten Jungen- und Mädchenklassen. Im Laufe der Jahre gibt es dann bei Förder- und Profil-Angeboten, manchmal im Religionskurs und später dann in den Wahlpflichtfächern immer mehr gemeinsamen Unterricht bis schließlich alle Oberstufen-Kurse gemischt sind.

„Viele gleiche Interessen“ in den reinen Jungen-Klassen

Der Start in einer reinen Jungen-Klasse am St. Hildegardis-Gymnasium war für Jannik kein Problem. „Eigentlich haben wir vor allem durch die vielen Interviews mitbekommen, dass das hier etwas Besonderes war“, erinnert sich der 18-Jährige, der nach dem Sommer für ein duales Hotelfachstudium in den Schwarzwald zieht, an den Medienrummel rund um die ersten Jungen auf der Duisburger Mädchenschule. Sein Mitschüler Florian spricht von „einer gewissen Umstellung“ von der gemischten Grundschulklasse auf die Jungs-Klasse am Gymnasium – und hofft nun nach dem Abi auf Erfolg beim Medizinertest, um doch noch sein Lieblingsfach studieren zu können. Lucas (Berufswunsch: Lehrer) meint, dass in ihrer reinen Jungen-Klasse „ein besseres Gemeinschaftsgefühl und viele gleiche Interessen“ geherrscht hätten als dies in einer gemischten Klasse möglich wäre. „Und man konnte offener zueinander sein.“ Auch Nicolai bestätigt die guten Start-Erfahrungen in der Jungen-Klasse: „Nur meine Mutter fand das am Anfang ein bisschen seltsam – obwohl sie selbst früher auf eine Mädchenschule gewesen ist“, sagt der 17-Jährige, bei dem nun erst einmal eine längere Brasilien-Reise auf der Agenda steht.

 

Janne: „Bei uns gab’s keinen Zickenkrieg“

Das entspanntere Lernen durch getrennte Klassen in der Unter- und Mittelstufe bestätigen auch die Mädchen in der Runde. „Bei uns gab’s keinen Zickenkrieg. Wir haben – wie die Jungs – eher von ähnlichen Interessen in der Klasse profitiert“, sagt Janne, die sich demnächst in Frankfurt in einem dualem Studium dem Thema Internationales Management nähern möchte. Sind Mädchen unter sich, „gibt es in der Klassengemeinschaft eine ganz andere Basis“, sagt Alina. Sie schwankt derzeit noch, ob sie nach Reisen nach Israel und London Mediendesign studiert oder „doch etwas mit Kindern“ macht. Haley ergänzte: „Am Anfang waren die getrennten Klassen für andere ein viel größeres Thema als für uns.“ Die 18-Jährige möchte Kunst studieren, schiebt zuvor aber ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Berliner Kulturbüro ein. Am liebsten auch nach Berlin möchte die 17-jährige Antonia. Aber fürs „Medizinstudium an der Charité brauchte man im vergangenen Jahr 862 Punkte.“ Dafür wird es bei ihr trotz eines 1,0er-Abiturs und Extra-Punkten aus der freiwilligen Nachprüfung nicht reichen, „vielleicht gehe ich auch nach Düsseldorf“.

 

Haley: „Die meisten Menschen lernen sich nicht im Mathe-Unterricht kennen.“

Antonia schmunzelt wie alle anderen bei der Frage nach den Pärchen an der Schule. „Es ist eine Fehlannahme, dass das ein Hindernis wäre“, formuliert Nicolai mit Blick auf die Geschlechtertrennung ein wenig technisch. Neben ihm grinst Janne: Die beiden sind seit rund zweieinhalb Jahren ein Paar – und somit der beste Beleg für Nicolais These. Auch Haley betont: „Die meisten Menschen lernen sich nicht im Mathe-Unterricht kennen.“ Allein auf dem Pausenhof hätte es vom ersten Schultag an genug Begegnungsmöglichkeiten zwischen Jungen und Mädchen gegeben.

 

An das Pausen-Miteinander mit Jungen hätten sich die älteren Schülerinnen jedoch erst gewöhnen müssen, erinnert sich Schulleiterin Sabine Kretschmann-Dulisch: „Da, wo eine angestammte Ecke zum Chillen war, flogen nach den großen Ferien in der Pause plötzlich Bälle durch die Luft.“ Manche Mädchen hätten dann aber auch schnell bei den Ballspielen der Jungen mitgemacht. „Jungen sind und lernen anders“, zitiert Kretschmann-Dulisch einen Leitsatz aus den ersten Jahren der Umstellung an ihrer Schule. Während Jungen zum Beispiel bei Experimenten im naturwissenschaftlichen Unterreicht sofort loslegten, würden Mädchen „erst einmal in aller Ruhe die Anleitung lesen“, beschreibt die Schulleiterin. Auf diese Unterschiede nehme das Konzept am St.-Hildegardis-Gymnasium Rücksicht – ebenso wie auf die Tatsache, dass sich Jungen in der Pubertät später entwickelten als Mädchen. „Später ergänzen sie sich dann“, sagt Kretschmann-Dulisch mit Blick auf die gemischten Oberstufen-Kurse.

 

Text: Thomas Rünker, Pressestelle Bistum Essen

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