Zwischen Kirche und Schule

Eine Ordensfrau unter den Armen von Bruckhausen

Schwester Ulrike verlässt nach über 30 Jahren ihre Wirkungsstätte in Duisburg-Bruckhausen  I  Foto: ©Tanja Pickartz
Schwester Ulrike verlässt nach über 30 Jahren ihre Wirkungsstätte in Duisburg-Bruckhausen I Foto: ©Tanja Pickartz

Das Geschirr hat sie verschenkt, die persönliche Habe ist gepackt, die Wohnung schon halb ausgeräumt. Ende August verlässt Schwester Ulrike Trabold von den Hiltruper Missionsschwestern Bruckhausen nach 32 Jahren. Der Entschluss ist ihr nicht leicht gefallen und auch ihre Nachbarn im Stadtteil lassen sie ungerne gehen. Auf ihrem Tisch liegen kleine Geschenke und Abschiedskarten, die ihr mit rührenden Worten für ihren Einsatz danken. Verfasst sind sie teilweise in dem Deutsch, das Sr. Ulrike den Schreiberinnen einst in der Hausaufgabenhilfe selber beigebracht hat.


Schwester Ulrike hat sich 1962 für ein Leben als Ordensfrau entschieden. Sie hat dann in einem Kinderheim, als Lehrerin und in einem Tagungshaus gearbeitet. „Wir machten da so eine Arbeitsgruppe zum Thema Armut in Deutschland. Dann gab es von der Leitung her die Anfrage, wer sich vorstellen könnte, konkret unter den Armen zu leben“, erzählt sie. Sie hob ihre Hand, genau wie zwei Mitschwestern und bald darauf kamen die drei nach Bruckhausen. „Die Leute hier haben sich so über uns gefreut, das werde ich nie vergessen“, erinnert sie sich.

"Kirche darf sich nicht von den Menschen zurückziehen"

Der inzwischen verstorbene Prämonstratenser Pater Rainer van Dorn nahm sie in Empfang. „Guck dich in Ruhe um und dann sagst du mir, wo du dich engagieren willst“, ließ er ihr die Freiheit. Sie wählte das Jugendheim und die Arbeit mit den Kindern. Und fuhr all die Jahre mit dem Fahrrad von der Wohnung  in der Schulstraße in Bruckhausen zu ihrem Einsatzort in der Ostackergemeinde St. Franziskus. Sie lehrte die Kinder und spielte mit ihnen, wie sie es schon immer gerne getan hatte. Und sie lernte die Eltern und Familien kennen, half in 1000 kleinen und größeren Nöten, genoss die Gastfreundschaft und lebte mitten unter ihnen.


Am Runden Tisch Bruckhausen freute sie sich, wenn sie etwas für den Stadtteil bewegen konnte. „Die Kirche darf sich jetzt nicht von den Menschen zurückziehen, auch wenn die nicht mehr so in den Gottesdienst kommen wie früher“, sagt sie und das kommt von Herzen. Deshalb steht ihre Schelle auch nie still. Manche kommen mit Abschiedsgrüßen, andere mit Fragen. Ob sie bitte die 10 Euro für ein nötiges Medikament geben könne?  „Ich gehe bald weg, deshalb kann ich jetzt etwas großzügiger sein“, sagt sie fast entschuldigend und gibt der Besucherin das Geld. „Ich bewundere diese Frau, sie hat manchmal nichts zu essen und macht doch immer weiter“, sagt sie hinterher.


Ans Aufhören dachte sie eigentlich nie, auch nicht als ihre Mitschwestern abberufen wurden. Sie hatte einfach zu viel zu tun. Dann kam Corona und es gab mehr Zeit zum Nachdenken. Dabei bemerkte sie plötzlich ihr Alter und erschrak. Sie ist Jahrgang 1937 und machte sich klar, dass es doch Zeit für den Ruhestand wird. Dazu wird sie im Hiltruper Mutterhaus in Münster in eine von mehreren kleinen Lebensgemeinschaften ziehen. Dort freut man sich schon auf sie. „Bei unserem Mittagstisch für die Bedürftigen brauche ich dringend eine Ablösung, du hilfst mir doch, oder?“, hat eine Mitschwester sie gebeten. Schwester Ulrike wird wohl weiter mitten unter den Armen bleiben, wo sie hingehört.

Text: Sabine Merkelt-Rahm

Fotos: ©Tanja Pickartz

Kommentar schreiben

Kommentare: 6
  • #1

    Martina Knebel (Dienstag, 18 August 2020 13:27)

    Es ist ein riesiger Verlust für den Ostacker, Bruckhausen und Hamborn, dass Schwester Ulrike nun endlich in den schon lange wohlverdienten Ruhestand geht. Sie ist ein Vorbild an christlicher Nächstenliebe. Möge ihr Gott all das Gute, dass sie getan hat, reich vergelten und ihr noch einige schöne Jahre im Kreise ihrer Mitschwestern in Münster schenken. Die Pfarrgemeinde St. Johann verdankt ihr unermesslich viel.

  • #2

    Gerhard Kölven (Dienstag, 18 August 2020 16:03)

    Nach Schwester Margarete und Schwester Chantal verlässt mit Schwester Ulrike eine weitere tragende Säule die Pfarrgemeinde St.Johann.Auch sie hat ihren Ruhestand wohlverdient. Es bleibt jedoch die Frage: Wer schließt auch ihre Lücke ?


  • #3

    Thomas Hellbach (Dienstag, 18 August 2020 17:07)

    Wir werden Schwester Ulrike sehr vermissen, mit ihr verlässt uns eine wahre Heldin. Viele Kinder auf dem Ostacker verdanken ihr Bildung und menschliche Zuwendung. Herzlichen Dank, dass wir Schwester Ulrike so lange bei uns haben durften. Mit Geld wäre ein solcher Einsatz für
    Gott und die Menschen nicht zu bezahlen, also: Vergelt's Gott....

  • #4

    Martina Habbe (Dienstag, 18 August 2020 19:38)

    Schwester Ulrike ist eine tolle Frau,die immer für alle da war.
    Meine Kinder Laura und Romina hatten sehr viel Spaß mit ihr.
    Wir wünschen Ihr alles Gute.

  • #5

    Susanne Szemait (Dienstag, 18 August 2020 20:14)

    Ich kann nur "Danke" sagen.
    Danke, dass du, Schwester Ulrike, Teil meiner Kindheit/Jugend warst. Du warst ein Teil von Franziskus und wirst fehlen.
    Ich wünsche dir alles Gute und Gottes Segen für deinen wohlverdienten Ruhestand.

  • #6

    Stefanie Dirmeier (Mittwoch, 19 August 2020 01:27)

    Liebe Schwester Ulrike,
    Ich kann nur Danke sagen, dass du ein Teil meiner Kindheit warst. Habe vor Kurzen noch die Filme von Ferienlager aus Wiesenscheid und Möhnesee angeschaut. Ich war immer in deiner Gruppe, wir waren immer jeden Tag in der Kirche zum Spielen, haben Messdiener gemacht und sind mit ins Ferienlager mit gefahren. Als ich zur Berufsschule ging, hatte ich Probleme mir Englisch, du hast jemanden Organisiert, der uns 2 mal die Woche Nachhilfe gab. Als wir beim Kindertreff waren und Hunger bekamen, hast du uns Fladenbrot holen lassen und Nutella und haben dann gemeinsam mit allen gegessen.
    Es war eine schöne Zeit.

    Danke für alles!
    Gottes Segen für deinen Wohverdienten Ruhestand.