· 

„Am Altar fühle ich mich zu Hause“

19-Jähriger zieht nach Abitur und Auslandsmonaten in Tansania im September als „Essener Kandidat" ins Priesterseminar Münster ein

Sein neuer Lebensabschnitt beginnt am 14. September. Denn dann zieht Tobias Ambold, 19 Jahre jung, ins Collegium Boromaeum am Münsteraner Domplatz zum Theologiestudium. Der Abiturient vom Steinbart-Gymnasium 2019 will Priester werden. Er ist 2020 der einzige neue Priesteramtskandidat des Bistums Essen, das zwischen Duisburg und Meinerzhagen gut 40 Großpfarreien, davon vier in Duisburg, mit Seelsorgern zu versorgen hat.

Foto: Nicole Cronauge, Bistum Essen
Foto: Nicole Cronauge, Bistum Essen

Ein mutiger Schritt, sagen viele, aber nicht alle der ehemaligen Klassenkameradinnen und -kameraden Ambolds. Unterschiedlich diskutiert, aber mit Respekt beachtet wurde seine Entscheidung auch in der eigenen Familie. Ob es Sinn macht, seinen Beruf und sein Leben Jahre später mit dem Gehorsams- und Treue-Versprechen vor dem Bischof und zur Kirche zu verbinden, das ist keine Frage, die Tobias Ambold jetzt beunruhigt. „Ich bin normaler Student, ich gehe einen Weg, der meine nächsten Jahre bestimmt“. Auf sein Studium folgt eine fast zweijährige Praxis- und Seminarzeit bis zur Weihe. Wenn alles so läuft, wie sein Ziel aussieht.   


Die Diözese Essen, für deren Ausbildung sich Tobias sich entschieden hat,  obwohl er ursprünglich aus  der katholischen Pfarrei St. Matthias in Duisburg-Rheinhausen kommt, die zum Bistum Münster gehört, hatte ihm vor einem Jahr geraten: „Gehen Sie nicht direkt von der Schulbank ins Borromaeum. Lassen Sie sich lieber noch etwas Zeit mit ihrer Entscheidung.“ „Mir ist jetzt klar, warum“, sagt der 19-Jährige heute. Seit August 2019 arbeitete er im afrikanischen Tansania mit Schulkindern. „Die rund acht Monate bis April 2020 haben mich aus dem sprichwörtlich ,wohlbehüteten´ Elternhaus herausgeführt. Ich habe in Afrika eine andere Lebensart und Menschen mit ihren Ideen kennengelernt,  die anders ticken als wir in unserer Welt.“ Wegen Corona endete Tobias Zeit in Afrika allerdings leider schon im Frühjahr 2020 und nicht, wie eigentlich geplant, erst in diesem Sommer.

Tobias Ambold freut sich auf das Studium in Münster

 Tobias Ambold an den Wässerfällen bei Njombe, Tansania
Tobias Ambold an den Wässerfällen bei Njombe, Tansania

Nun freut er sich auf Münster, auf das Studium, und auf die Frauen und Männer im Collegium Borromaeum. Frauen im Studienkolleg der katholischen Kirche? Ingelore Engbrocks, stellvertretende Dezernentin für Berufe in Seelsorge und für seelsorgliche Ausbildung beim Ruhrbistum, erklärt das: „Auch Frauen können wie andere Studierende Studentenbuden im Borromaeum mieten. Die Zimmer werden ja für die vielen Theologie- und Priesteramtskandidaten früherer Zeiten nicht mehr gebraucht.“ 

 

2017 waren es jährlich 17 Priester-Studenten, um 1900 dagegen 50 bis 60. Und Anfang der Dreißiger Jahre 80 bis 100 Kandidaten, die hier ihre Ausbildung begonnen hatten. Dem Seminar ist heute angesichts der kleinen Zahlen eine offene, weltnahe Ausbildung der künftigen Priester besonders wichtig. Die Webseite des Borromaeums formuliert: „Wir legen großen Wert darauf, dass unsere künftigen Priester in ihrer Ausbildung mit anderen Christinnen und Christen gemeinsam unterwegs sind und sich mit Fragen des Lebens und des Glaubens auseinandersetzen. Alle sollten gemeinsam versuchen, Leben aus dem Glauben an Jesus Christus zu gestalten.“


Einer besonderen Frage auf seinem Weg ins Studium und zu seinem Ziel begegnet Ambold offen. „Dass ich mich verpflichte, auf nahe und intime Beziehungen zu einer Frau zu verzichten, ist eine Herausforderung. Mein Prozess, mich damit auseinanderzusetzen, hat früh begonnen. Dieser Verzicht bringt mich von meiner Entscheidung, Priester werden zu wollen, nicht ab.“ Wichtig sei, sich laufend damit auseinanderzusetzen, ergänzt er. Das wachse „es kann Stabilität geben“.


Gewachsen ist sein Entschluss mit gut 16 Jahren nach seiner Firmung in der Pfarrei St. Matthias. „Ich habe in der Jugendarbeit und als Messdiener-Leiter nicht nur den Umgang mit Menschen gelernt. Ich habe erfahren, welche Verantwortung Seelsorger haben, dass Kirche menschlich bleibt und die Jugendarbeit nahe bei den Heranwachsenden ist. Im Dienst am Altar in der Messe habe ich mehr und mehr gespürt: Ich bin hier zu Hause und darf auch bei Gott ankommen.“


Seinen Entschluss Priester zu werden, begleitete auch sein Religionslehrer am Steinbart offen und sensibel. Tobias Ambold: „Zwischen 16 und 18 Jahren sind mir die Bibel und dort vor allem die Psalmen wichtig geworden.“ Dort lese man von den Nöten, Hoffnungen und der Lebensfreude der Menschen: „Sie schreien auch zu Gott, wenn sie Lebenswege und Unterstützung suchen.“ Solche Unterstützung und Begleitung wünscht er sich für seinen Studentenalltag und seinen Weg in Münster. „Ich weiß, dass da viel passieren wird. Ich werde erleben, was das mit mir macht.“ Anders als die jüngste Vatikan-Erklärung zur Gemeindeleitung, die allein Priestern zukomme, setzt Tobias Ambold auf ein verantwortliches Miteinander befähigter Christen mit denen, die für den liturgischen Dienst in Gemeinden geweiht sind. „Ohne entscheidende Verantwortung von hauptberuflich tätigen Frauen und Männern mit engagierten Ehrenamtlichen könnten wir Christen doch jetzt schon mindestens jede zweite Kirche und Gemeinde zumachen.“

Kommentar schreiben

Kommentare: 0