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‎„Mit dir geht die Seele der Werkkiste“‎

Die Abteilungsleiterin der Duisburger Werkkiste in Bruckhausen, Susanne Patzelt, wird am 18. Juli in

den Ruhestand verabschiedet. Mehr als 30 Jahre hat die gebürtige Duisburgerin die Arbeit der Werkkiste im Stadtteil geprägt. Die Einrichtung für Berufs- und Lebenshilfe bietet ein breites Angebot zur beruflichen und sozialen Integration. Wertschätzung und Respekt gehören zu den Leitsätzen der Werkkiste – für Susanne Patzelt in all den Jahren die Grundlage für ein gutes Miteinander und die Arbeit in der Werkkiste.

Stadtkirche: Frau Patzelt, Sie sind ja schon sehr lange in der Werkkiste beschäftigt. Wie hat alles angefangen und was hat Sie damals motiviert, mit Jugendlichen zu arbeiten?

Susanne Patzelt: Also, ich bin jetzt 33 1/2 Jahre in der Duisburger Werkkiste. Begonnen habe ich als Sozialpädagogin in der offenen Jugendarbeit. In einem Jugendzentrum des Deutschen Roten Kreuzes in Düsseldorf habe ich u. a. als Projektentwicklerin und dann als Leitung gearbeitet. Allerdings konnte ich dort nicht so viel verändern, wie ich es mir damals wünschte. Und als ich dann 2 Kinder bekommen habe, stand fest, ich muss wohnortnah in Duisburg arbeiten. Beim DRK habe ich übrigens schon die Werkkiste kennengelernt und das hat gepasst.

 

Stadtkirche: Was war Ihnen bei dem Wechsel von der offenen Jugendarbeit in die Jugendberufshilfe für den Job wichtig?

Susanne Patzelt: Mir war vor allem wichtig, dass die Arbeit mit den Jugendlichen ergebnisorientiert ausgerichtet war. Ich habe zunächst Sozialtrainings mit den Jugendlichen gemacht. Zum Beispiel Anti-Aggressions-Trainings – das war auch wichtig, denn die Zündschnur war bei einigen Jugendlichen damals ziemlich kurz (lacht). Ich wollte es greifbar, erlebbar für sie machen. Die ganzen Ermahnungen und Vorträge fruchteten ja nicht. Das war für mich durchaus eine Erfüllung und ich bin bei der Werkkiste hängen geblieben.

 

Stadtkirche: Können Sie sich noch an Ihren ersten Arbeitstag erinnern?

Susanne Patzelt: Nee, aber ich kann mich sehr gut erinnern, zunächst Ausbildungsabbrecher betreut zu haben. Die waren alle ziemlich orientierungslos – und ein echt wilder Haufen. Das war eine tolle Aufgabe, die mir sehr gefallen hat.

Stadtkirche: Aber nach 13 Jahren haben Sie den Schalter umgelegt, und sind in die Verwaltung und Leitung gewechselt… warum?

 

Susanne Patzelt: Ach, da bin ich ziemlich reingerutscht. Ich habe natürlich als Sozialpädagogin Ideen entwickelt. Was kann man anders und besser mit den Jugendlichen machen? Und anfangs war es so, dass man gute Ideen viel leichter umsetzen konnte, ohne groß Rechenschaft ablegen zu müssen. Als die Anforderungen an die Verwaltung der Maßnahmen zunahm, wurde das mehr und mehr Teil meines Arbeitsumfeldes – da habe ich mich dann irgendwann auf die Leitungsstelle beworben. Die habe ich bekommen und konnte dann meine Ideen als Leitung wieder besser weiterverfolgen.

 

Stadtkirche: Das heißt konkret?

 

Susanne Patzelt: Den Jugendlichen nicht nur Deutsch und Mathe beizubringen, sondern erst einmal gesellschaftsfähiges Verhalten. Es gab eine Zeit, da habe ich morgens Waffen einsammeln müssen, bevor es losging.

 

Stadtkirche: Das hört sich ja nach einer echten Aufgabe an… wie haben Sie versucht die Jugendlichen zu erreichen?

 

Susanne Patzelt: Mir lag immer viel an der Frage, wie bekomme ich Jugendliche mit wenig Bildung dazu, ihre Einstellungen und ihr Leben zu ändern. Wie schaffe ich ein Umfeld, in dem die Jugendlichen sich z. B. trauen, zu träumen. Denn es ist wichtig im Leben einen Traum, ein Ziel, zu haben und darauf hinarbeiten zu können. Das gehört auch heute noch wesentlich zu unserem Job - herauszufinden, was der- oder diejenige im Leben möchte und sich wünscht. Und wie wir ihm dabei helfen können, das zu erreichen.

 

Stadtkirche: Gibt es denn auch etwas Wesentliches, was heute zu Ihrem Job gehört, aber zu Beginn nicht?

 

Susanne Patzelt: Die Zeit am Rechner und im Internet. Das ist wirklich furchtbar (lacht wieder). Sämtliche Maßnahmen, die wir machen, werden offiziell über das Bundesausschreibungsblatt ausgeschrieben. Das ist sehr arbeitsintensiv und wenn Sie eine gewisse Zahl an Mitarbeitenden haben, versuchen Sie auch einiges, um die Maßnahmen zu erhalten. Nur so können Sie die Jobs auch halten.

 

Stadtkirche: Das hört sich auch etwas zermürbend an. Da kommen Sie ja selber immer weniger zum sozialpädagogischen Arbeiten, oder?

 

Susanne Patzelt: Klar, es gibt schon einiges, für das ich mehr persönliche Zeit investieren würde. In erster Linie natürlich für die Menschen – Jugendliche und Erwachsene – die in der Werkkiste Hilfe finden. Aber z. B. auch für den Stadtteil hier und das Miteinander in Bruckhausen.

 

Stadtkirche: Haben Sie denn das Gefühl, dass sich die Situation verbessern kann? Wenn etwa der viel diskutierte Bürokratieabbau bei der Werkkiste ankommt.

 

Susanne Patzelt: Da kann ich nur drüber lachen. Ein Beispiel: Von 2014 bis 2022 haben wir z. B. Maßnahmen für Geflüchtete, etwa Sprachkurse oder berufliche Praktika, durchgeführt. Die Anzahl der Teilnehmenden war schwankend, sie müssen aber in jedem Jahr hoch qualifiziertes Personal bereithalten und bezahlen. Da hat allein der Verwaltungsaufwand immer weiter zugenommen, nur um die Mitarbeitenden zu halten. Wir denken ja auch an unser Team und deren Familien. Besser geworden ist da in den letzten Jahren nichts und danach sieht es auch nicht aus.

Stadtkirche: Gibt es denn etwas, was trotz des Verwaltungsaufwandes schon lange von der Werkkiste angeboten werden kann?

 

Susanne Patzelt: Ja, klar, die berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme der Agentur für Arbeit machen wir von Anfang an - also schon seit 2004. Obwohl wir an den Ausschreibungen jedes Mal teilnehmen müssen, konnten wir uns als Werkkiste immer behaupten.

 

Stadtkirche: Wenn seit 20 Jahren eine Maßnahme gehalten wird, hört sich das nach einer echten Erfolgsstory an. Gibt es da denn etwas Besonderes, das zum Gelingen beigetragen hat?

 

Susanne Patzelt: Das waren sicherlich die Kooperationen mit großen starken Partnern, die wir eingegangen sind – etwa mit ThyssenKrupp oder HKM. Das hat bei den Ausschreibungen Gewicht gehabt. Aber wir haben auch in den letzten Jahren mit rund 1000 kleinen und mittelständischen Betrieben zusammengearbeitet, die z. B. häufig eine starke Bindung zur katholischen Kirche haben. Ohne deren soziales Engagement und deren Herz für die jungen Menschen, wäre es ebenfalls nicht gegangen.

 

Stadtkirche: Die Kooperationen sind sicherlich eine wertvolle und langfristige Voraussetzung für den Erfolg Ihrer Arbeit. Erinnern Sie sich auch an große Veränderungen, auf die Sie reagieren mussten?

 

Susanne Patzelt: Was glauben Sie denn? Als ich 1992 angefangen habe, gab es ja noch gar keine PCs. Wir hatten eine elektrische Schreibmaschine. 1994 haben wir dann den ersten PC erhalten. Mein damaliger Chef hat mich da noch schief angeschaut, wenn ich zu lange am PC saß. Heute verbringe ich 95% meiner Arbeitszeit am PC und kann mit KI arbeiten.

 

Stadtkirche: Das ist natürlich eine enorme Entwicklung am Arbeitsplatz. Können Sie mir da auch eine persönliche Veränderung aus Ihrer Zeit schildern? Vielleicht etwas von dem Sie sagen können, dass Sie es zu Beginn definitiv anders gemacht hätten?

 

Susanne Patzelt: Das habe ich nie sagen können. Ich bin immer in Situationen reingewachsen und musste mich mit ihnen auseinandersetzen. Das habe ich gemacht und es hat geklappt. Auch weil ich immer offen für Neues gewesen bin. Aber ich bin auch ein wenig müde geworden… z. B. weil immer und immer wieder Ausschreibungen erstellt werden müssen.

 

Stadtkirche: Darauf darf sich ja schon jemand Neues freuen. Haben Sie für Ihren Ruhestand Vorbereitungen in der Werkkiste getroffen?

 

Susanne Patzelt: Ich habe in den letzten 2-3 Jahren meine Mitarbeitenden auf meinen Abgang vorbereitet. Hier wurde vieles von mir dokumentiert und es wird auch schon einiges übernommen – die Einrichtung fällt also nicht in ein tiefes Loch. Eine langfristige Übergabe war mir wichtig.

Schauen Sie mal, das habe ich von unserem Maler erhalten (zeigt ein Maßband, an dem die noch zu arbeitenden Tage abgeschnitten werden können). Anfangs habe ich gedacht „Das geht ja gar nicht vorbei und zieht und zieht sich“. Und jetzt ist es wirklich fast schon so weit.

 

Stadtkirche: Gibt es etwas worauf Sie sich freuen?

 

Susanne Patzelt: Mein Mann meint, ich würde erst einmal ausschlafen. Wissen Sie, ich kämpfe von Anfang an eigentlich gegen meinen Biorhythmus. Ich bin eher der Nachtmensch. Jeden Tag um 6 Uhr aufstehen, werde ich jedenfalls nicht vermissen. Aber, Spaß beiseite, ich habe noch viel vor. Zum Beispiel freue ich mich auf die gemeinsame Zeit mit unseren 3 Enkeln. Außerdem muss unsere Wohnung gestrichen werden, in Holland wartet ein Segelboot auf uns und mein Mann und ich wollen auch noch mit einem Wohnmobil durch Europa reisen.

 

Stadtkirche: Darauf dürfen Sie sich wirklich freuen. Was möchten Sie Ihren Mitarbeitenden und Kolleg*innen denn mit auf den Weg geben? Haben Sie einen Wunsch?

 

Susanne Patzelt: Denkt bitte an unsere Werte und haltet an ihnen fest (greift in ein Regal und holt den vor knapp 2 Jahren gemeinsam im Betrieb erarbeiteten Wertekanon hervor und zeigt ihn). Trotz z. B. aller Schwierigkeiten müssen wir unseren Werten treu bleiben. Menschlich bleiben, den anderen wertschätzen und ihn mit Respekt behandeln – im Job und privat. Verlasst bitte unsere Werte nicht!

 

Stadtkirche: Und wem möchten Sie danken?

 

Susanne Patzelt: Es gibt viele Menschen, die mich auf meinem Weg begleitet haben und von denen ich etwas lernen konnte. Nicht alle sind jetzt noch in der Werkkiste. Von denen, die hier aktuell am Standort arbeiten, möchte ich vor allem den Teamleitungen Nehat Helber, Christoph Schaaf und Birgit Grebien für ihre großartige Unterstützung danken. Aber eigentlich allen, die hier tolle Arbeit geleistet und sich mit der Werkkiste identifiziert haben. So wie unsere Geschäftsführerin Lena Richter oder unsere Köchin Dzenana Hegemann. Das ist auch wirklich eine ganz besondere Frau, die mir ans Herz gewachsen ist. Als wir uns zuletzt über meine Verabschiedung unterhalten haben, sagte Sie zu mir: „Mit dir geht die Seele der Werkkiste“, das hat mich echt berührt.

 

Stadtkirche: Das ist doch ein rührender Schluss für dieses Interview – den lassen wir jetzt sehr gerne so stehen! Vielen Dank für das Gespräch und Ihnen alles Gute für Ihre Zukunft.

 

Das Interview führte Lars Brehmer für die Stadtkirche. Foto: Katholische Stadtkirche Duisburg