Auf Einladung des Abtei-Gymnasiums verlegte Familie Goldfarb aus Kanada eigenhändig weitere Stolpersteine für ihre Angehörigen Edith und Bernhard
Das war wahrlich eine besondere Stolpersteinverlegung am vergangenen Montag, 5. Juni in der Nähe des Hamborner Altmarkts: Nachkommen der jüdischen Familie Goldfarb aus Hamborn hatten sich an der Emscherstraße versammelt, um gemeinsam mit Gästen, Passanten und vor allem vielen Schülerinnen und Schülern vom Abtei-Gymnasium an einer Zeremonie zur Verlegung zweier weiterer Stolpersteine für Angehörige ihrer Familie teilzunehmen.
Gedacht wurde an diesem Nachmittag der Geschwister Edith und Bernhard Goldfarb, die auf der Emscherstraße 204 gewohnt hatten und denen in den 30er Jahren, anders als den Eltern und dem kleinen Bruder, dank eines Kindertransports die Flucht geglückt war.
Bereits weit vor 15 Uhr scharte sich neben der Buchhandlung Lesezeichen unmittelbar gegenüber der Hausnummer 204 eine große Traube Menschen, die alle mitbekommen wollten, was es mit den beiden gold funkelnden Stolpersteinen auf sich habe, die während der gesamten Gedenkfeier fast schon liebevoll von zwei Angehörigen der Familie Goldfarb in den Armen gehalten wurden. Was dann kam, war schon sehr anrührend: MdL Frank Börner begrüßte die Gäste mit herzlichen Worten auf Englisch, zeigte sich aber auch fast väterlich stolz über das, was vor allem Schülerinnen und Schüler aus dem Schulprojekt „Das Abtei vergisst nicht“ leisten, damit die Erinnerungen an die Folgen der NS-Diktatur im Gedächtnis der Menschen wach bleiben. Ihnen und ihrer Lehrerin Christina van Laack sei es zu verdanken, dass diese Stolpersteinverlegung überhaupt mit Unterstützung der Duisburger Jugendverbände möglich geworden sei.
Das fand auch Bürgermeister Volker Mosblech und betonte: „Das Abtei-Gymnasium ist bei uns in Duisburg eine gute Adresse und Frau van Laack ein Goldstück.“ Diese schien sich über das Lob zwar zu freuen, aber etwas anderes war ihr viel wichtiger, und das waren ihre Schülerinnen und Schüler. „Ich bin stolz, solche Schüler zu haben“, rief sie ihnen zu.
„This is a very emotional day for my family“
Als anschließend die Witwe von Bernhard Goldfarb, Jaqueline Lorient das Wort ergriff und auf Englisch sagte „This is a very emotional Day for my family“, da wurde es spürbar stiller auf dem Bürgersteig vor der kleinen Trinkhalle gegenüber dem früheren Elternhaus von Edith und Bernhard Goldfarb. Eine solche Hamborner Trinkhalle – und zwar konkret die grüne Bude auf dem Altmarkt, wo heute Döner verkauft wird – hatte tatsächlich auch schon im Leben der Geschwister Goldfarb in den 30er Jahren eine wichtige Rolle gespielt. Davon berichteten zehn Schülerinnen vom Abtei-Gymnasium in fast schon poetisch anmutenden Texten in englischer Sprache. In denen versuchten sie, sich in die Welt der Geschwister in den 30er Jahren vor ihrer Flucht hineinzuversetzen und so ihre Geschichte zu erzählen. Dabei ging es auch um so ganz kleine Erinnerungen der jüdischen Kinder, von denen sie gelesen hatten. Zum Beispiel an besagte Bude auf dem Altmarkt, wo die Geschwister damals häufig Süßigkeiten kaufen durften.
Wie wichtig solche Erinnerungsarbeit ist, das war Jaqueline Lorient in ihrer Ansprache ein großes Anliegen. Sie wandte sich dabei unmittelbar an die Schülerinnen und Schüler und räumte ein, es sei schwierig für so junge Menschen zu verstehen, was damals passiert sei. Sinngemäß sagte sie in der deutschen Übersetzung: „Es gibt keine Gerechtigkeit in der Tragödie. Was wir tun können, ist, sie nicht zu vergessen und sie immer in Erinnerung zu behalten.“ Projekte wie die „Graphic Novel“, an der Schülerinnen und Schüler vom Abtei-Gymnasium gerade arbeiten und die zeichnerisch an das Leben der jüdischen Abtei-Schülerin Edith aus den 30-er Jahren erinnern soll, seien da vorbildlich.
Stolpersteine bringen die Familie symbolisch wieder zusammen
Nach den Reden dann war es vor allem der Familie Goldfarb vorbehalten, die beiden Stolpersteine für Edith und Bernhard vor der Hausnummer Emscherstraße 204 neben die dort bereits befindlichen Steine für die ermordeten Eltern und den kleinen Bruder zu legen. Sichtlich bewegt sagte ein Familienmitglied anschließend: „Dass wir als Familie nun hier an diesem Ort zu einem solchen Anlass zusammenkommen konnten, das ist für uns ein Zeichen der Hoffnung für die Zukunft.“
Im Anschluss an die Stolpersteinverlegung ging es dann weiter zur Synagoge der jüdischen Gemeinde Duisburg Mülheim Oberhausen am Innenhafen. Dort sprach Oberrabbiner David Geballe das zentrale Totengebet, genannt Kaddisch, für die Verstorbenen der Familie Goldfarb. Darum hatten die Angehörigen ausdrücklich gebeten und dem kam der Oberrabbiner gerne nach.
Programm ging noch weiter im Zentrum für Erinnerungskultur
Am Spätnachmittag schloss sich dann noch eine Veranstaltung im Zentrum für Erinnerungskultur und Menschenrechte Duisburg an. Dort trug Jaqueline Lorient Auszüge aus den Memoiren ihres Mannes vor. Außerdem erzählten die beiden niederländischen Filmemacherinnen Jessica van Tijn und Pamela Sturhooft eindrucksvoll von einem Interview mit Bernhard Goldfarb, das sie vor seinem Tod im Rahmen von Recherchen zu einem Dokumentationsfilm geführt hatten. Auch Bernards Enkelin Lauren Goldfarb war als „Zweitzeugin“ zu Gast und war offenkundig sehr daran interessiert, sich mit den Gleichaltrigen vom Abtei-Gymnasium über die Rolle ihrer Generation bei der Aufarbeitung der NS-Zeit auszutauschen.