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Trotz Startschwierigkeiten zum Abitur

Fünf geflüchtete Schülerinnen meistern in Duisburg Integration und Schulabschluss

Foto: Nicole Cronauge | Bistum Essen
Foto: Nicole Cronauge | Bistum Essen

Vor rund acht Jahren kamen sie als Kinder aus geflüchteten Familien praktisch ohne Deutschkenntnisse ans Bischöfliche Abtei-Gymnasium in Duisburg. Heute präsentieren Vafa, Joudi, Melisa, Rakela und Yara stolz ihre erfolgreichen Abitur-Zeugnisse. Damit sind die fünf jungen Frauen Beispiele für die erfolgreiche Arbeit der Internationalen Vorbereitungsklassen, die Kinder für den Unterricht in Regelklassen fit machen.

 

Dunkle Haare, modische Teenie-Klamotten und ein fröhlicher und selbstbewusster Blick – egal ob diese fünf jungen Frauen auf dem Flur des Bischöflichen Abtei-Gymnasium stehen oder irgendwo in der Duisburger Nachbarschaft unterwegs sind: Sie sehen aus wie viele andere Jugendliche auch. Was sie auszeichnet und zu außergewöhnlichen Schülerinnen macht, steckt in ihren Köpfen – und ab Freitagabend in ihren Taschen: Vafa, Joudi, Melisa, Rakela und Yara haben erfolgreich das Abitur bestanden, obwohl sie erst im Alter zwischen 10 und 12 Jahren ohne jegliche Deutschkenntnisse nach Duisburg gekommen sind. Sie gehörten zu einer der ersten Internationalen Vorbereitungsklassen, die das katholische Gymnasium als Reaktion auf die zahlreichen Geflüchteten eingerichtet hat, die etwa ab 2015 ins Ruhrgebiet kamen, und die dank einer Vereinbarung mit der Stadt Duisburg heute zum festen Bestandteil des Schulprogramms gehören.

Internationale Vorbereitungsklasse war wichtiger Wegbereiter

Wer in der Internationalen Klasse Fortschritte macht, wird bereits innerhalb der zwei Jahre „teilintegriert“ und nimmt in einzelnen Fächern in einer Regelklasse teil. Davon hat Rakela profitiert, die in Albanien geboren ist und mit ihrer alleinerziehenden Mutter und den beiden Brüdern nach Deutschland kam, weil ihr Bruder hier nach einem Unfall medizinisch besser betreut werden konnte. „Wir hatten hier nichts und mussten völlig neu anfangen, das war schon hart“, erinnert sich Rakela – und ihre Mitschülerinnen nicken. Solche Erfahrungen haben alle Fünf als Geflüchtete gemacht. Rakela hat Vafa im Übergangsheim kennengelernt und über sie von der besonderen Klasse im Abtei-Gymnasium gehört. Auch Rakela konnte kein Deutsch, aber sich immerhin auf Englisch verständigen. Cavallo-Müller schickte sie deshalb schon nach kurzer Zeit für die Englisch-Stunden in eine Regelklasse. Hier kam Rakela der bilinguale Zweig der Schule zugute, bei dem auch Nebenfächer auf Englisch unterrichtet werden. Nun hat Rakela ein bilinguales Abi abgelegt und hofft, dass nach erfolgreicher Eignungsprüfung die Note 1,9 für das Architektur-Studium ausreicht.

 

Spätestens nach zwei Jahren endet die behütete Zeit in der Internationalen Klasse von Lehrerin Grazia Cavallo-Müller. Dass nicht alle ihre Schützlinge den Weg zum Abitur schaffen und ihr nun nur fünf aus einer Anfängerklasse von 18 Kindern mit einem erfolgreichen Abschluss gegenübersitzen, sieht Cavallo-Müller nicht als Scheitern – weder für sich noch für die anderen Schülerinnen und Schüler – ganz im Gegenteil: „Alle Kinder bekommen in den zwei Jahren bei uns ein Rüstzeug, das ihnen in Deutschland weiterhilft“, sagt die Lehrerin. Sie kam selbst erst mit 27 der Liebe wegen nach Deutschland, lernte die deutsche Sprache, unterrichtete erst Erwachsene und übernahm dann die damals neue Internationale Klasse am Abtei-Gymnasium. Sie ist nicht nur eine warmherzige Pädagogin, sondern mit ihrer Geschichte auch das beste Vorbild für ihre Schülerinnen und Schüler. Und sie spricht Klartext, sagt „Sprache lernen ist mühsam“, – und mit Blick auf das Migrantinnen-Dasein: „Ihr müsst immer ein bisschen besser sein als die Deutschen.“

 

„Diese Fünf vereint, dass sie für ihr Ziel gekämpft haben“, sagt Mathe- und Chemielehrer Zografakes. Ihre Noten hätten sich „von Jahr zu Jahr verbessert“. So erklären auch die Abiturientinnen ihren Erfolg. Alle berichten, dass sie irgendwann verstanden hätten, dass sie mit Lernen erfolgreich sein können. „Wichtig ist, dass man an sich glaubt!“, sagt Rakela. Zugleich erzählen sie, dass gerade der Wechsel in eine Regelklasse für alle eine schwierige Umstellung gewesen sei – nicht nur wegen der neuen Fächer auf Deutsch, sondern auch wegen der anderen Kinder. Rakela: „Ich war das einzige Kind aus einer Internationalen Klasse, alle anderen hatten schon Freunde. Außerdem habe ich mich geschämt, mich mit meinem schlechten Deutsch im Unterricht zu melden.“ In der 9. Klasse habe sie dann eine Tisch-Nachbarin bekommen, mit der aus einer anfänglichen Zweckbeziehung – „Ich habe ihr in Englisch geholfen, sie mir in Deutsch“ – eine Freundschaft entstanden sei.

 

 

Text: Thomas Rünker, Bistum Essen